Von Zürich bis nach Airolo - unsere ersten Eindrücke
Der Spruch „Nur wo du zu Fuss warst bist du auch wirklich gewesen“ machte sich schon nach den ersten Tagen bemerkbar. Nun sind wir seit dem 01. Juni 2018 unterwegs und uns schon heute einig, dass es eine gute Entscheidung war zu Fuss zu gehen und uns nicht wie eigentlich geplant einen VW Bus zu kaufen und damit los zu ziehen. Natürlich ist es teilweise auch arschanstrengend und man muss manchmal ganz schön die Zähne zusammen beissen und sich durchkämpfen... da hilft es mir (Resi)immer rumzuphantasieren und sich mit irgendwelchen Gedankenkarusellen abzulenken. Meine Top Favoriten wären da: eine Gästeliste und Sitzplan für unsere imaginäre Hochzeit ausdenken (wer könnte mit wem zusammensitzen und wer passt eher nicht zusammen...) wie könnten wir mal unser Kind nennen? (Stelle dabei fest das Mädchennamen deutlich einfacher zu finden sind) ,an alte Geschichten denken von vor 10-20 Jahren...heidewitzka ist man alt geworden hahahaha. Es ist ein unbezahlbares Gefühl den ganzen Tag draussen zu sein in der Natur, frische Bergluft zu atmen, die Täler, Berge, Seen, Blumenwiesen & Gemüsefelder zu bestaunen, Schafe, Ziegen, Rehe, Milane, Kühe (inkl. Kuhscheisse) zu riechen und zu beobachten (Wusstet ihr das Kühe sich gegenseitig besteigen? Das nennt man dann stieren).
An all dem würde man mit dem Auto gar nicht vorbeikommen oder eben nur vorbeifahren. Und nicht zu vergessen, sind es die Menschen denen man auf unseren Wegen begegnet , mit denen man ins Gespräch kommt. Viele sind so interessiert daran was wir da machen, wo wir hinwollen, wie viel Kilo sich wohl in unseren Rucksäcken befinden? Bei vielen älteren Leuten wecken wir mit unseren Rucksäcken auch alte Erinnerungen und sie erzählen uns von ihren Reisen damals und erfreuen sich wiederum über unsere Erlebnisse und Geschichten. Dieser Austausch ist für uns viel wert und bringt immer viel Freude. Wie viel Kilo so in unseren Rucksäcken drin sind , wird euch wahrscheinlich auch interessieren. Das können wir euch sagen : Eindeutig zu viel !!! Mein Rucksack wog 15 kg , Eriks ganze 23 kg. Wir hatten dann irgendwo gelesen dass ein erfahrener und trainierter Wanderer nicht mehr als maximal 20 % seines Körpergewichts auf dem Rücken tragen sollte. Da wir uns ja nun noch nicht trainierte Wanderer nennen können , haben wir für uns mal 15 % des Körpergewichts ausgerechnet ,das wären dann für mich max 7,5 und für Erik 9 kg. In Schwyz hatte Erik dann die superduber Idee, doch einfach ein Paket mit den Sachen die wir wirklich erst für die Alpenüberquerung brauchen (Wanderschuhe, lange und warme Klamotten) nach Andermatt zu schicken, das lag ja ohnehin auf unserem Weg und von da aus starteten wir dann auch unseren Weg über die Alpen - Gesagt getan, für schlappe 19,90 CHF waren wir dann insgesamt 15 kg leichter. Und so wanderte es sich auch viiiiel angenehmer und man konnte sich viel mehr auf den Weg und die Umgebung konzentrieren. Mancher fragt sich, was haben die denn alles mitgenommen, die sind doch sonst so sparsam beim packen? Berechtigte Frage würden wir sagen, aber in der Tat sind es die Sachen die wirklich essenziell sind wie Schlafsäcke, Zelt, Thermarestmatten, Kochutensilien, und auch der Laptop, die letztendlich das grosse Gewicht ausmachen. Ansonsten hetzen wir uns nicht, lassen uns treiben und planen jeden Tag aufs Neue was das nächste machbare Ziel für uns ist - wir haben schliesslich Zeit.
Eindrücke und Tagebucheinträge unserer ersten Tage:
Tag 1 - Zürich nach Türler See
Km: 21,75
Zeit: 6,5 h
Höhenmeter rauf: 759
& wieder runter: 500
Am ersten Tag waren wir um 09:00 Uhr zum Abschiedsfrühstück mit Vera, Stefan und den Kids im Hiltl Kilchberg am Zürisee verabredet. Das war also eine schöne erste Etappe um Zürich langsam den Rücken zu kehren. Nach dem Powerfrühstück folgte dann die Albispassüberquerung und unser erster richtiger Anstieg mit den schweren Rucksäcken. Erschöpft haben wir dann unseren ersten Campingplatz am Türlersee erreicht. Trotz dass die Sonne schon weg war, sprangen wir zur Erfrischung in den kalten See.
Tag 2 - Türler See nach Unterägeri
Km: 28,1
Zeit: 8 h
Höhenmeter rauf: 644
& wieder runter: 559
Längere Mittagspause als geplant in Ebertswill - verquatscht mit Pärchen am Nachbarstisch. Durch die pralle Sonne ging es weiter über Sihlbrugg- Höllgrotten nach Neuägeri. Kein Müslipowerrieger dabei und weit und breit kein Supermarkt in Sicht. Dann Ortsschild Neuägeri erreicht, gedacht es ist geschafft -Fehlalarm, nochmal 1,5h Fussweg bis nach Unterärgeri zum Campingplatz ALARMSTUFE ROT bei Resi, keine Energie und Kraft mehr zum Weitergehen Rettung : Erdbeerstand :-) Doch noch durchgezogen bis zum Schluss. Fazit:wenn man denkt man kommt an seine Grenzen und Reserven, kann man in Wirklichkeit noch viiiel weiter laufen ,wenn man das Tief einmal überstanden hat - es ist sooo wichtig sich immer wieder zu sagen :man schafft das und man kommt ans Ziel.
Tag 3 - Unterägeri nach Sattel
Km: 10
Zeit: 2,5h
Höhenmeter rauf: 100
& wieder runter: 40
Morgenschwimmen im Ägerisee - traumhaft aber kalt .Am See übernachten und den Morgen mit Schwimmen zu beginnen ist eine super Idee, daran kann man sich gewöhnen. Langes Frühstück genossen im Freien bei Sonnenschein . Unsere Schweizer Freunde Sandro und Monika & die Kids aus dem Kanton Schwyz haben uns spontan den ganzen Ägerisee entlang begleitet.
Tag 4 - Sattel nach Schwyz
Km: 14
Zeit: 6h
Höhenmeter rauf: 668
& wieder runter: 934
Harter Start bei permanentem Anstieg - der Seilbahn entlang gelaufen Extra empfohlenen Umweg auf uns genommen über Hagenegg - Wunderschöne Wanderstrecke mit tollen Ausblicken auf Vierwaldstätter See und die Mythen. An freier Kuhweide vorbei gelaufen, boah sind Kühe gross wenn sie wirklich mal neben einem stehen, viele Bauernhöfe wahrgenommen, sah so aus als gäbe es wirklich glückliche Kühe, Kälbchen springen wild herum... Nach hohem Anstieg folgte logischer Weise, laaanger Abstieg.... (fragt sich was anstrengender ist) Gewitter, Blitz und Regenguss überraschte uns mitten im Wald, Resi Angst, Erik Retter :-) Erik hat uns eine Überdachung gebaut und wir haben uns untergestellt bis das Unwetter vorbeigezogen ist.
Tag 5 - Wanderpause in Schwyz bei Sandro und Monika & den Kids
Am Tag 5 haben wir unsere Beine, den Rücken und die ungewohnte Belastung deutlich gespürt und uns mal eine Pause gegönnt bei unseren lieben Schwyzer Gastgebern Monika und Sandro. Wir wurden rund um bedient und verwöhnt - Danke nochmal dafür.
Tag 6 - Schwyz nach Seelisberg
Km: 11
Zeit: 4 h
Höhenmeter rauf: 390
& wieder runter: 240
Pakete fertig gemacht mit Klamotten die wir erstmal nicht mehr brauchen bei der Post abgegeben und nach Andermatt schicken lassen. Mit deutlich leichterem Gepäck ging es weiter von Schwyz nach Brunnen. WOWEffekt Vierwaldstätter See - fehlen nur noch die Palmen um es Paradies nennen zu können. Mit Fähre kurzes Stück zur anderen Seite nach Treib treiben lassen. Aufstieg zum Seelisberg und noch weiteres Stück bis zum Campingplatz gelaufen - nur 2 Camper , gefühlt Privatsee, tolle Stille , klares angenehmes Wasser zum Baden. Zelten und das Leben mit dem Nötigsten ist toll .In 5 Tagen 4 Kantone betreten (Züri, Zug, Schwyz, Uri).
Tag 7 - Seelisberg nach Altdorf
Km: 14,8
Zeit: 5h
Höhenmeter rauf: 438
& wieder runter: 745
Langer schöner Wanderweg entlang des Vierwaldstättersee. Weg führte teilweise auch durch Tunnel - spezielles Gefühl. Reussdelta mündet im Vierwaldstättersee/Urnersee - wunderschönes klares Wasser. War ein gefühlt sehr langer Tag. Endlich Aldi gefunden um Prepaidkarte fürs Handy zu besorgen.
Tag 8 - Altdorf nach Amsteg
Km: 18
Zeit: 5h
Höhenmeter rauf:178
& wieder runter: 92
Gotthardwanderweg entlang ins sich immer weiter verjüngendes Tal gefolgt. Lauter Fluss Reuss und Autobahn begleiten uns den gesamten Weg. Keine Stille und Ruhe mehr bei dem Lärm. Kein Camping erlaubt bis Andermatt. Einzige offene Unterkunft ein antikes Sternehotel mit Badewanne und drei Gängemenü. Wooooww welch eine Wohltat. Teuer aber schön. Man gönnt sich ja sonst nichts hihihi
Tag 9 - Amsteg nach Wassen
Km: 12,2
Zeit: 4,5 h
Höhenmeter rauf: 729
& wieder runter: 336
Frühstück genossen und schön rumphilosophiert übers Selbstfinden, Menschen, Selbstdarstellung von heute und Gott und die Welt . Schöner abwechslungsreicher Wandertag bei tollem Wetter . Schlängelliniengang rings um die Reuss Paradies für Zecken . Langersehnte Zusage für Vipassana Meditation in Italien erhalten („10 Tage Schweigekloster“).
Tag 10 - Ausflug Wassen / Göschener Alpen
Km: 10km
Zeit: 7h
Höhenmeter rauf: 1009
& wieder runter: 1014
Zusage für Vipassana Zusage brachte nicht nur Vorteile mit sich, irgendwie brachte es uns auch in eine plötzliche Stresssituation. Uns war nicht so bewusst dass der Termin dafür schon so naheliegend ist und wir müssen wirklich schauen ob wir unser Ziel zu Fuss nach Italien zu gehen erzielen können wenn wir am 19.06 schon in Como sein müssten. Grosse Wanderung gemacht, aber alles kam anders als geplant. Krasse Aussichten und nie zuvor gesehene Szenarien. Als wir ca. 1000 Höhenmeter hinter uns hatten sahen wir plötzlich Schnell liegen. So weit hoch sind wir schon gekommen aber wir hatten nur unsere Laufschuhe an , da wir unsere Wanderschuhe ja nach Andermatt schicken lassen haben. Trotzdem entschlossen wir uns weiter zu gehen. Wollten ursprünglich zu einer SAC Hütte wandern und am nächsten Tag von da aus weiter nach Andermatt, wie gesagt kam es aber anders. Wir sind schweren Herzens wieder umgekehrt , da der Weg einfach zu gefährlich wurde. Es war nicht möglich mit unserem Schuhwerk die glatten Schneefläche zu begehen. Ich habe echt Panik bekommen und den Kopf verloren, Erik hat mich dann erstmal beruhigt und wir haben gemeinsam entschieden wieder zurück nach Wassen zu gehen. Es war schon ein krasses Gefühl so hoch - in knapp 2000m Höhe- in den Bergen zu sein , mutterseelenallein. Kein andere Wanderer auf dem gesamten Track zu sehen und es schien auch so als wäre der ganze Weg dieses Jahr noch nicht bewandert worden zu sein. Diese mächtigen Berge im Vergleich zu uns zwei kleinen Zwergen , Gewaltig! Auch wenn es was ärgerlich war schon so weit zu kommen und dann über 1000 Höhenmeter wieder runter zu gehen , war es ein Ausflug der sich gelohnt hat. Bergauf ist zwar auch immer sehr anstrengend mit dem Gepäck aufm Buckel, aber die Aussicht lohnt sich im Fall immer, und einen Knackarsch gibts auch :-). Am Abend gabs noch ne Runde Yoga - sogar Erik hat mitgemacht (und ich habe vor lauter Gelächter über seine (Un) Beweglichkeit noch meine Bauchmuskeln mit trainiert ).
Tag 11 - Wassen nach Andermatt
Km: 9,1
Zeit: 4h
Höhenmeter rauf:533
& wieder runter: 21
Auuuaaatsch Muskelkater und schwere Beine machen sich bemerkbar von gestern Regen Regen Regen Donner, Regen Blitz Regen während des gesamten Weges. Autobahn verschwindet endlich im Gotthardtunnel, nur die Reuss ist noch zu hören. Schwarze Salamander begleiten uns auf dem Weg Andermatt klitschenass und völlig fertig erreicht.
Tag 12 - Orgatag Andermatt
Nach vielem Hin und Her überlegen haben wir den Vipassana Meditations Kurs in Florenz in knapp einer Woche abgesagt. Wir haben den Weg und die Route bis ach Italien mal durchgerechnet und es wäre wirklich alles ziemlich knapp geworden. Wir wollten uns beide nicht so stressen lassen und auch nicht so durchs Tessin hetzen nur um pünktlich in Italien anzukommen. Drum haben wir uns direkt für einen Kurs im September in Spanien angemeldet. Mal schauen ob es klappt. Mehr dazu ein anders mal. Heute Paket abgeholt, Orgakram erledigt, bei der Information gewesen um uns zu erkundigen ob der Weg über die Alpen geöffnet ist. Morgen ist es so weit. Der Gotthardpass ist frei, dennoch kann oben noch teilweise Schnee liegen der nun hoffentlich mit dem richtigen Schuhwerk zu bewältigen ist. Je nachdem wie geschafft wir sind, werden wir die Alpen an einem Tag überqueren und am Abend dann in Airolo ankommen. Gut vorbereitet und trainiert sind wir auf jeden Fall. Wir freuen uns wenn wir’s geschafft haben und im Kanton Nummero 5 Tessin eintrudeln werden.
Tag 13 - Andermatt
Wenn man ein Blick nach draussen wirft, macht es absolut keinen Sinn heute wie geplant unsere Alpenüberquerung zu starten. Es regnet in Strömen und so soll es auch bleiben für den restlichen Tag. Für morgen siehts laut Wetterprognose schon viel besser aus. Also hoffen wir auf morgen und gönnen uns heute nochmal einen Tag Auszeit und Faulenzen.
Tag 14 - Andermatt - Airolo
Km: 24
Zeit: 7,5
Höhenmeter rauf:750
& wieder runter: 1030
Wir haben’s getan, zum allerersten Mal... die Alpen überquert :-). Die Entscheidung noch einen Tag zu warten hat sich ausgezahlt, das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Ein wunderschöner Wanderweg, durch gefühlte Steppenlandschaft. In der Tat lag da oben auch noch Schnee und wir haben wie immer keine anderen Wanderer getroffen die zu diesem Zeitpunkt die glorreiche Idee hatten den Gotthart zu überqueren. Der Tauschnee hat die Flüsse und Gewässer noch ordentlich mit Wasser befüllt. Das hiess also dass wir uns oft eine Überquerung mit Stöcken und grossen Steinen bauen mussten oder auf unsere Leistungen im Weitsprung zählen mussten. Nicht so lustig (zumindestens in dem Moment) war die Situation als ich in ein Schneeloch gefallen bin. Wir sind über eine Schneedecke gewatschelt und Zack plötzlich war Resi weg und Erik hörte nur noch einen lauten Schrei. Ich stand mitten in einem Fluss und nur noch mein Rucksack hat mich oben gehalten. Das hätte wirklich böse ausgehen können. Unsere Wanderschuhe waren auf dem Weg wirklich gold wert. Der Moment als wir oben am Ziel des Gotthartpasses in 2106m Höhe angekommen sind war atemberaubend. Gar nicht unbedingt wegen der Sicht sondern wegen dem stolzen Gefühl, dass wir es bis dahin zu Fuss geschafft haben. Dann stand uns noch der Weg bergab bis nach Airolo bevor. Der eigentliche Wanderweg war so gut wie gar nicht begehbar durch den Schnee. So haben wir weitestgehend die alte Pflastersteinstrasse Tremula benutzt, die erst einen Tag später für die Fahrzeuge geöffnet worden war. Zu unserem Glück haben wir dort auch zwei Murmeltiere entdeckt. (Ganz schön gross die Viecher) Und dann waren wir auch schon in unserem 5ten und für uns letzten Kanton in der Schweiz - dem Tessin. Nun heisst es Ciao und nicht mehr Grüezi(finden wir persönlicher einfacher auszusprechen, ein Grüezi muss gelernt sein ohne dass die Leute direkt merken, dass wir Deutsche sind hihihi) und wir sind Italien schon vom Feeling ein grosses Stück näher.
Was uns dort erwartete, die Geschichte unseres verschollenen Laptops , von Blasen an den Füssen und die Erlebnisse der nächsten Tage im nächsten Bericht....
Resi und Erik
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